Dein eigenes Gehirn aufessen

Besser ohne Gehirn?

Sesil die Seescheide ist ein sehr interessantes Geschöpf. In ihrer frühen Entwicklung ist sie andere Wirbeltiere – sowie auch der Mensch – sehr ähnlich. Sie hat eine art Wirbelsäule, kann sich fortbewegen und fortpflanzen, sie kann ihre Unterwasserwelt wahrnehmen und auch hat sie ein Gehirn.

Was Sesil allerdings nicht kann, is sich ernähren. Irgendwann müsste sich daher etwas ändern, sonst werde sie von Hunger sterben. Dieses Etwas das sich ändert, is allerdings auf erstem Blick erstaunlich überraschend. Sesil sucht sich eine schöne Gegend aus und siedelt sich dort an.

Sesil wird – ganz buchstäblich – sesshaft. Sessil, halt. Das ist gar nicht so merkwürdig, meinst du. Stimmt. Aber vergiss nicht, Sesil fehlt die Fähigkeit zu essen. Dafür hat sie allerdings eine Lösung gefunden: Sie saugt sich irgendwo fest und last niemals mehr los. Auf der Stelle verwandelt sie sich in eine Art Wasserpumpe und filtert Nahrung aus dem Wasser heraus.

Die Energie für diese Verwandlung erzeugt Sesil, indem sie verschiedene als sesshaftes Wesen nicht länger nützliche Körperteile verzehrt. Wie zum Beispiel ihren Schwanz… aber auch ihr Gehirn. Das Gehirn hat Sesil benutzt, um die Fortbewegung zu ermöglichen. Jetzt ist sie aber sesshaft und sie braucht es nicht mehr. Es schmeckt aber gut und ist voller Nährstoffe.

„Use it or lose it!“

Wieso brauchst du als Mensch eigentlich ein so großes Gehirn? Na klar, um nachzudenken, meinst du… allerdings sind unsere kognitiven Fähigkeiten evolutionär gesehen recht neu… Das Großteil des Gehirns brauchst du um den menschlichen Körper, diese komplizierte und erstaunliche Maschine, zu bewegen und um Gegenstände zu manipulieren.

‘Use it or lose it’, sagen die Amerikaner. Benutze es, oder verliere es. Wenn du nicht oder zu wenig bewegst, verlierst du Muskeln. Das weiß jeder. Aber gleichzeitig verliert auch dein Gehirn an Fähigkeiten, die mit Bewegung verknüpft sind. Nicht so dramatisch als bei Sesil; dein Gehirn wirst du nicht auffressen. Aber trotzdem, Verknüpfungen im Gehirn werden abgebaut, und die Körperbeherrschung und Bewegungsmöglichkeiten verringern sich.

Je weniger du dich bewegst und je weniger unterschiedliche Bewegungen du machst, desto schwächer wird die Verbindung zwischen Gehirn und Körper. Es ist, als ob die Landkarte des Körpers in deinem Gehirn immer größere weiße Lücken zeigt. Du verlierst an Beweglichkeit, einerseits weil die Muskeln sich abbauen und die Gelenke immer steifer werden. Anderseits, weil dein Gehirn nicht mehr so genau weiß, was der Zustand des Körpers ist, und wie deinen Körper funktioniert. Damit zusammenhängend, wirst du auch geistig inflexibler, steifer. Das Gehirn verliert and ‘Denkflexibilität’.

Bewege

Bewegung ist nicht nur unentbehrlich für das Gesunderhalten des Körpers, sondern auch für die graue Masse da oben. Durch Bewegung, vor allem durch viele unterschiedliche und auch immer wieder neue natürliche Bewegungen, bleibt dein Gehirn gesund. Ständig werden neue Verknüpfungen angelegt, was sich körperlich, aber auch kognitiv und emotional, bemerkbar macht. Achtsames Bewegen entspannt den Geist, baut Stress ab, hilft zu mehr innere Ruhe und Gelassenheit. Gleichzeitig erhöht es auch die Konzentration und die Kreativität. Also siedle dich nicht an im Chefsessel oder auf der Couch, aber: Bewege!


„Die beste Weise, sich um die Zukunft zu kümmern, besteht darin, sich sorgsam der Gegenwart zuzuwenden.“

Thich Nhat Hanh